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21.09.2022

Wirtschaftsprüferhaftung: Mitverschuldenseinwand bei der Jahresabschlussprüfung

Eine Gesellschaft, die Schadenersatzansprüche gegen den sie prüfenden Wirtschaftsprüfer wegen der fehlerhaften Testierung der Jahresabschlüsse geltend macht, muss sich das Verschulden ihrer Geschäftsführung und anderer Mitarbeiter zurechnen lassen, wenn diese keine ausreichenden Kontrollen im Unternehmen implementiert hat und dadurch die Veruntreuung von Geldern durch Mitarbeiter des Unternehmens ermöglicht hat. Eine einfach fahrlässige Pflichtverletzung des Jahresabschlussprüfers kann dabei angesichts des Mitverschuldens des Unternehmens derart in den Hintergrund treten, dass ein Schadenersatzanspruch insgesamt ausscheidet (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2022 – 12 U 298/21; Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt: BGH: VII ZR 124/22).

In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall hatte die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Rahmen ihrer Prüfung uneingeschränkt Testate für die Jahresabschlüsse erteilt. Später stellte sich heraus, dass der Bilanzbuchhalter der GmbH über Jahre mehr als € 1,8 Mio. entwendet hatte, indem er Überweisungen auf eigene Bankkonten und Barentnahmen tätigte. Da die Vollstreckung gegen den Bilanzbuchhalter scheiterte, verlangte die GmbH schließlich Schadenersatz von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, da diese im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen keine ausreichenden Prüfungshandlungen vorgenommen habe. Die Schadenersatzklage scheiterte in beiden bisherigen Instanzen.

LG und OLG stellten zwar Pflichtverletzungen des Jahresabschlussprüfers fest, da die Verpflichtung, Fehler in der Rechnungsprüfung aufzudecken und daraus entstehenden Schaden der geprüften Gesellschaft abzuwenden, verletzt worden sei. Allerdings sei die Abschlussprüfung keine Unterschlagungs- oder Organisationsprüfung des zu prüfenden Unternehmens. Anhaltspunkte für Manipulationen hätten sich nicht ergeben. Den Prüfern sei mehrfach die Existenz hinreichender Kontrollen zugesichert worden. Daher hätten die Jahresabschlussprüfer allenfalls einfach fahrlässig gehandelt.

Demgegenüber überwog nach Ansicht des OLG der Verursachungsbeitrag der geprüften GmbH bei Weitem. Die geprüfte Gesellschaft sei für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Jahresabschlusses verantwortlich, der Wirtschaftsprüfer schulde dieser eine ordnungsgemäße Prüfung. Sei der Jahresabschluss nicht fehlerhaft, könne eine fehlerhafte Jahresabschlussprüfung nicht zu Schäden der Gesellschaft führen.

Die interne Organisation bei der GmbH hatte die Veruntreuungen ihres Bilanzbuchhalters erst möglich gemacht. Eine zureichende Innenrevision gab es nicht. Der Buchhalter war durch eine fehlende Funktionstrennung in der Lage, Bestellungen auszulösen, Zahlungen anzuweisen und buchhalterisch zu erfassen. Zudem hatte er auch Geschäftsvorfälle ohne Beleg gebucht. Aufgrund des vollständigen Fehlens sämtlicher Sicherungsmaßnahmen waren diese Versäumnisse der GmbH als grob fahrlässiges Verhalten zuzurechnen. Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die allenfalls fahrlässige Pflichtverletzung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vollständig hinter die Vorsatztaten des Bilanzbuchhalters und das grob fahrlässige Verhalten der Geschäftsleitung zurücktrat.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart korrespondiert mit einem richtungsweisenden Urteil des BGH aus 2009, wo der 7. Senat den Mitverschuldenseinwand in Fällen der Jahresabschlussprüfung zugelassen hatte (BGH, Urteil vom 10.12.2009 – VII ZR 42/08). Wie die Verschuldensanteile von Jahresabschlussprüfer und zu prüfendem Unternehmen zu gewichten sind, ist jeweils Frage des Einzelfalls.

Es bleibt abzuwarten, ob der BGH die seitens des OLG Stuttgart vorgenommene Abwägung der Verursachungsbeiträge bestätigt. Festzuhalten ist, dass anders als bei der zuvor zitierten Entscheidung des BGH, bei dem ein vorsätzliches Handeln des Organs der GmbH festgestellt worden war, die Geschäftsführung der hier klagenden GmbH zwar grob fahrlässig, nicht jedoch vorsätzlich gehandelt hatte. In strafrechtlich vorwerfbarer Weise vorsätzlich hatte lediglich der Bilanzbuchhalter gehandelt, der Erfüllungsgehilfe der GmbH war. Ob diese Konstellation einen vollständigen Haftungsausschluss rechtfertigt, bleibt abzuwarten.

 

JARONI PRACHT RIEGL
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