25.09.2022
Zur Haftung des Steuerberaters im Lohnbuchhaltungsmandat (Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern)
Mit Urteil vom 09.06.2022 (2 U 530/21) hat sich das OLG Koblenz mit den sozialversicherungsrechtlichen Prüfungs- und Beratungspflichten eines Steuerberaters im Rahmen des Lohnbuchhaltungsmandates auseinandergesetzt. Das Urteil steht im Kontext zu der bereits im April 2022 ergangenen Entscheidung des OLG Hamm vom 08.04.2022 (25 U 42/20). Das OLG Hamm hatte geurteilt, dass ein mit der Lohnbuchführung beauftragter Steuerberater zwar nicht zum Sozialversicherungsrecht beraten dürfe, gleichwohl Schadenersatz zu leisten habe, wenn er seinem Mandanten bei Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht empfiehlt, einen Rechtsanwalt für die Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Sachverhalte hinzuzuziehen. Insbesondere bei Gesellschaften mit Gesellschafter-Geschäftsführern, die über keine gesellschaftsvertraglich abgesicherte Sperrminorität bei Gesellschafterbeschlüssen verfügen, können sich hieraus Folgeprobleme ergeben. Als Schaden kommen dann Sozialversicherungsnachforderungen in Betracht, die mittels einer rechtzeitigen Änderung des Gesellschaftsvertrages hätten verhindert werden können.
Auch das OLG Koblenz hat nun entschieden, dass ein mit der Lohnbuchhaltung beauftragter Steuerberater grundsätzlich prüfen muss, ob für einen Arbeitnehmer eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht in Betracht kommt, wenn keine Beiträge abgeführt werden. Bei tatsächlichen Unklarheiten oder sozialversicherungsrechtlichen Schwierigkeiten hat der Berater die Unklarheit durch eigene Rückfragen auszuräumen und auch hier, wie für die Klärung sozialversicherungsrechtlicher Schwierigkeiten, auf die Einschaltung eines entsprechend qualifizierten Rechtsanwalts hinzuwirken. Das Urteil des OLG Koblenz ist als weiterer Baustein bei der Beurteilung der Haftung von Steuerberatern im Kontext des Lohnbuchhaltungsmandates zu sehen. Die Haftungsbeurteilung ist – wie immer – eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.
Die in den vorstehenden Entscheidungen konturierte Haftungsverantwortung des Steuerberaters steht freilich in gewissem Widerspruch zum generellen Pflichtenkatalog des Steuerberaters. So muss er sozialversicherungsrechtliche Probleme zwar erkennen, darf hierzu aber gerade nicht beraten, weil ihm die erforderliche Kompetenz abgesprochen wird. Das Beratungserfordernis konkretisiert (und beschränkt) sich auf die Verpflichtung, den Mandanten die gesonderte Einholung des Rechtsrats durch einen Rechtsanwalt zu empfehlen.
Die Entscheidung des OLG Koblenz ist noch nicht rechtskräftig. Es wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt (IX ZR 137/22).